Mein Mann und ich sind im Geschäft nicht nur von Angesicht zu Angesicht mit Zeitdieben aller Art konfrontiert, neuerdings bedienen sich diese Leute halb anonym auch der modernen Kommunikationsmittel.
So finde ich zum Beispiel jeden Morgen, wenn ich das Büro betrete, eine Unmenge von Faxnachrichten vor, in denen mir alles Mögliche angepriesen wird, das gar nicht in mein und zu meinem Warensortiment paßt. Ich erzeuge kunstgewerbliche Gegenstände – alles in Handarbeit - und soll mir 2 D- bis 3 D- Fräsen kaufen, und das sofort, weil das Sonderangebot zeitlich begrenzt und die Auflage dieser Geräte limitiert ist. Oder ich soll mich – Jetzt zugreifen, da verbilligt! – mit Kugellagern für Drehsessel eindecken. Diese Faxe ärgern mich aus zwei Gründen: 1. Jeden Morgen denke ich: Wui, so viele Bestellungen über Nacht! und bin dann natürlich enttäuscht, und 2. reut mich mein Faxpapier, das da so für die Würscht vergeudet wird.
Noch ärger empfinde ich aber die telefonischen Belästigungen.
Wenn einer ein Geschäft hat, glauben die meisten, er sei stinkreich und saudumm (wie das zusammenpassen soll, frag’ ich mich).
Da versuchen sie, einem telefonisch alles Erdenkliche aufzuschwatzen und einzureden und abzuknöpfen.
Man soll eine Dauerpatenschaft – mit Einziehungsauftrag bei der Bank, versteht sich – für einen afrikanischen Bauchredner übernehmen,man soll eine horrend teure Werbung in der Zeitung des Nasenbohrervereins schalten, man soll mit einer Geldspende (im äußersten Notfall, aber ungern, werden auch Sachspenden gnommen) unschuldig in Not geratene Ferrarifahrer unterstützen und dergleichen mehr.
Am ärgsten treiben es die Telefon – Anlageberater.
Beinahe kein Tag vergeht, an dem sie mich nicht in vorbildlicher Selbstlosigkeit bestürmen, mein Vermögen (welches?) in ihre kompetenten Hände zu legen.
Mit schweizerischem oder norddeutschem Akzent, Börsegeräusche durch ein Tonband im Hintergrund vortäuschend, sind sie unermüdlich auf der Jagd nach meinem Geld. Das heißt: eingangs eigentlich nach dem meines Mannes. Denn sie verlangen immer den ”Herrn Geschäftsführer” zu sprechen. Daß bei uns der Herr Geschäftsführer eine Frau ist, läßt ihren Redefluß kurz stocken, aber nach dem ersten Schock über so viel emanzipatorische Anmaßung geht es mschinengewehrartig weiter.
Meistens sage ich: ”Danke, ich habe kein Interesse”, und wenn ich standhaft dabei bleibe, und sie sicher sind, mich nicht umstimmen zu können, wird mir zu verstehen gegeben, daß ich wirklich ein unbedarftes Weibchen bin, das nicht einmal fähig ist, ein sonnenklares Angebot zur wunderbaren Geldvermehrung zu verstehen und anzunehmen.
Nach dem etwa 146. Anruf dieser Art bat ich meinen Mann, in Zukunft den Hörer an ihn weitergeben zu dürfen, wenn ein Anlageberater am Apparat sei. Mein Mann hatte kaum sein Einverständnis gegeben, da läutete es.
”Firma Gugler, Grüß Gott!” sagte ich.
”Einen wunderschönen guten Tach”, tönte es aus dem Telefon ”mein Name ist Wundermann, könnte ich bitte wohl den Herrn Geschäftsführer sprechen?”
”Worum geht es?” fragte ich scheinheilig, obwohl ich im Hintergrund bereits die typischen Börsegeräusche vernommen hatte, ein Durcheinander von Stimmen, die mit Zahlen und bekannten Firmennamen wie Microsoft und General Motors nur so herumwarfen.
”Es geht um Anlagen mit traumhaften Renditen”, sagte Herr Wundermann ”aber das möchte ich nu doch gerne persönlich mit dem Herrn Geschäftsführer besprechen. Wenn Sie ihn mir nu mal geben wollten, Fräuleinchen!”
Ich übergab meinem Prinzgemahl den Hörer und schaltete auf Lautsprecher, sodaß ich mithören konnte.
Herr Wundermann versprach meinem Mann das Blaue vom Himmel, und der ließ ihn bis zur Erschöpfung reden. Dann sagte er:
”Es tut mir leid, Ihr Angebot nicht annehmen zu können.”
”Ja um Gottes Willen, warum denn nicht?” fragte Herr Wundermann verwundert.
”Weil ich selbst Anlageberater bin” sagte mein Mann und hob seinen Brustkorb, als ich ihn staunend anblickte.
Deutlich hörte ich das betroffenen Schweigen des Herrn Wundermann, doch bald faßte er sich und fragte:
”Und wie machen Sie das?”
”Das ist ganz einfach zu erklären”, sagte mein Mann ”wenn Sie bei mir heute – sagen wir – hunderttausend Euro anlegen, kann ich Ihnen die Garantie dafür geben, daß Sie in einem Jahr fünfzigtausend zurückbekommen.”
Nun hörte man ein noch längeres Schweigen, Herr Wundermann kalkulierte wohl die Rendite dieser Anlageform, dann sagte er: ”Nein, danke!” und legte auf.
In den folgenden Monaten rief kein Anlageberater bei uns an.
/ 2003