Ihrem nackten Körper begegnet Wilma im wandhohen Spiegel des Schlafzimmers. Sie klatscht auf die Brüste, knetet ihre massigen Schenkel, streicht sich über die Hüften, hüpft mit ihren Fingern über den Bauch, kerbt die Fingernägel ins Fleisch, läßt los und beugt sich über die halbmondigen Zeichnungen, kratzt um den Nabel herum, der faltig nach außen gestülpt ist, und bläst schnaubend über die Härchen auf ihren Armen.
Später zieht sie sich an. Ob Sommer oder Winter, immer trägt sie mehrere Unterhosen, Baumwolleibchen, Blusen und Überröcke.
Sie ist allein und setzt sich in den Lehnsessel im Wohnzimmer. Sie hört vertraute Geräusche, Schritte auf der Holztreppe. Gleich wird sich die Tür öffnen und Agnes hereinkommen.
Die Frau ruft Wilma beim Namen; und Wilma rührt sich, reckt sich wie eine Henne mit aufgeplusterten Federn, duckt sich wieder, legt den Kopf schief, stemmt sich schließlich aus dem Sitz hoch und schiebt auf sie zu wie ein Geröll.
Beginn der Erzählung "Wilma" / 1994