IV. Das Innenleben der Sprache
Sprache scheint von der Welt des Sehens beherrscht, aus ihr und
für sie geschaffen zu sein. Es fällt uns schwer zu begreifen, wie
ein Sprachgebilde überhaupt in die unsichtbare Welt der Töne eindringen
kann; es es überhaupt möglich ist, mit Hilfe von Sprache musikalische
Inhallte zu vermitteln. Muss Sprache in der Welt der Töne
nicht immer eine Krücke bleiben? Bleibt die verbale Verständigung in
der Welt der musik nicht immer mühevolles, unbefriedigendes Metaphorieren
und letztlich eine Illusion?
Dies anzunehmen hieße das Wesen der Sprache zu verkennen.
Oberflächlich betrachtet, seinen Begriffe tatsächlich nur einer
ganz bestimmten Sinneswelt anzugehören, und es ist, als ob wir sie –
gnadenhalber und vorübergehend – einer anderen zur Verfügung stellen,
doch der Schein trügt: unterirdisch ist alles Sinnliche in uns
verbunden, in weit verzweigten Gängen und fließenden Gewässern.
Srpach ist Ausdruck dieser Verbindungen, auch wenn das Wissen und
das Bewusstsein darüber immer mehr verloren geht.
Betrachten wir nur einmal „betrachten“ – es geht auf ein Bewegungswort
zurück: trahere, ziehen; „hell“ bewegt sich wesensmäßig
seit jeher in der Welt des Schalls, im Dunkel verschwinden nicht nur
Gestalten, sondern auch undeutliche Geräusche; „leise“ bezeichnet
ursprünglich eine sanfte Bewegung, „still“ heißt bewegungs- wie auch
lautlos, während „piano“ auf ein Wort zurückgeht, das glatt und ebenmäßig
hieß.
In den Tiefen unseres gemeinsamen Unbewussten ist alles, was in
einem Wort mitschwingt, für alle Zeiten aufgehoben: sein lebendiges
Wesen, das von seiner Geschichte geprägt ist.
Der Absolutismus des Visuellen und Abstrakten ist eine Erscheinung
unserer Zeit, die in unserer sprachlichen Wahrnehmung Spuren
hinterlassen hat. Ihrem Wesen nach ist Sprache jedoch nicht nur
sinnlich, sondern auch ein für alle Sinne durchlässiges System, so
wie auch unserer Sinne miteinander in Verbindung stehen und Sinneseindrücke
in unserem Inneren nicht klar voneinander getrennt entstehen.
„Das muss klingen wie Vanillesauce.“
Was wir vielleicht als Bild empfinden, ist nur im übertragenen
Sinn ein Bild; es ist ein Bild, das wir nicht nur sehen; ein Bild,
das eine Bewegung mit einschließt, einen Geruch, einen Geschmack,
und das uns zugleich im wahrsten Sinn des Wortes berührt.
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