Hochstand
Autoren: Andreas Renoldner
Köln, WDR,
2006
KRATT Wenn ich tot bin, will ich nicht in einer Holzkiste landen. Ihr sollt mich in eine Kinoleinwand einrollen und irgendwo ins Meer schmeißen. Einen meiner Filme müsst ihr mir nicht auf die Leinwand projizieren, während ich ins Wasser falle. Weil eigentlich kann ich das ganze Zeug schon nicht mehr sehen. Es interessiert mich auch ästhetisch nicht mehr.
HOFER Aber was willst du sonst machen?
KRATT Tierfilme! Stell dir vor, wie das ist, wenn so ein Elefantenbulle einer Elefantin aufsteigt. Oder Nashörner. Oder Hirschkäfer. Wie treibens die Regenwürmer. Das interessiert die Leute. Ob ich bei Glühwürmchen einen Beleuchter brauche, weiß ich allerdings nicht. Die leuchten ja von selbst. Prost! (Kratt trinkt. Er stellt das Glas ab. Dann ein dumpfer Fall -)
HOFER Freier Fall. Mit dem Kopf auf die Tischplatte. Es ist höchste Zeit, dass ich mich um einen neuen Job umsehe. Vielleicht versuche ich mich einmal an der Kamera. Tierfilme sind angeblich gerade sehr gefragt. Ich habe jahrelang bei professionellen Produktionen assistiert, werde ich sagen. Ich werde von Undergroundfilmen reden und von visionärer Bildkraft und anarchistischer Bildästhetik und all den anderen Sachen, die mir Kratt so oft erzählt hat, und sie werden sagen: Genau so einen Kameramann suchen wir. Sollte das nicht funktionieren, werde ich in Plattling anfangen. In Plattling ist einer, der aus Neuötting kommt, ein Star.
Textprobe aus dem Hörspiel "Hochstand" / 2006