Die Erinnerung hat Sätze festgehalten, wie: DER FÜHRER LEBT GANZ BESTIMMT. Nicht nur sie, Frau Weißmaier, sei dieser Überzeugung, es gäbe sehr viele, die so dachten. Es seien ja unzählige Nationalsozialisten in Spanien, Portugal, vielleicht sei es dem Führer gelungen, dorthin zu flüchten, sich zu verbergen, vielleicht hätten ihm einige seiner Getreuen die Flucht ermöglicht und hielten ihn jetzt versteckt.
Der Führer sei vielleicht in Argentinien.
Der Führer sei möglicherweise von den Russen gefangengenommen worden, werde jetzt gefangen gehalten.
Nein, daß der Führer GEFALLEN sei, das sei nicht vorstellbar, sei ein Gerücht.
WIR MÜSSEN DIE JUGEND ENTGIFTEN, stand in einer Zeitung, die damals in Linz von vielen gelesen worden ist. Die Frage erhebt sich, wie Anni mit all dem, was sie las und hörte, zurechtgekommen ist.
[...]
Heldengedenkfeiern fanden statt, man gedachte vor allem der in den Konzentrationslagern Ermordeten. Ehemalige politische Gefangene riefen die Bevölkerung auf, das Erbe dieser Toten zu übernehmen. Die Leute stellten Kerzen in die Fenster. Für jene Toten des Krieges, deren niemand in Feiern gedachte.
Die New York Times schrieb: Wenn irgend etwas das Leid und die Trauer nach dem Kriege erleichtern kann, so die erneute Hoffnung, daß Kriege der Vergangenheit angehören.
Anni hatte, die Lage betreffend, nur einen immer wieder gedachten, auch mehrfach ausgesprochenen Wunsch: Nie wieder sollte es Krieg geben, nicht nur dort, wo sie jetzt lebte, nicht nur in Europa, nein, NIE WIEDER KRIEG AUF DER GANZEN WELT.
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Die Frau Holzmann, sagte Tante Liesi, sei im KZ gewesen.
Erschrockenes Aufhorchen der Sechzehnjährigen, Erinnerung an graue Gestalten mit kahlgeschorenen Köpfen, die bald nach dem Ende des Krieges am Bauernhof vorbeigezogen waren, die man vereinzelt da und dort gesehen hatte, Erinnerungen an die Erzählungen eines Mannes, der das Kriegsende in Ebensee erlebt hatte, wie man die Gefangenen freigelassen habe, wie der ganze Ort plötzlich von KZlern überschwemmt gewesen sei, die KZler, nicht die Gefangenen, Erinnerung an in Zeitungen Gelesenes, ehemalige Insassen des Konzentrationslagers hatten ihre Erlebnisse beschrieben: JUNGE MENSCHEN, DIE DAS NICHT GLAUBEN WOLLEN, WEIL SIE ES NICHT GLAUBEN KÖNNEN, SEINEN DAVOR GEWARNT, IN DERARTIGEN SCHILDERUNGEN EINE GEHÄSSIGE PROPAGANDA ZU SEHEN.
Das ist alles gelogen, sagt Frau Weißmaier, zu so etwas sind deutsche Menschen niemals fähig gewesen.
/ 1982