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Erinnerung Genf

Autoren: Kurt Klinger
Linz, 2003
Gattung: Lyrik | Veröffentlichungstyp: Literaturnetz

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Textproben:

1.

Nach den tödlichen Regentagen,/ Kälte und Nebellast,/ sieh, wie der See sich öffnet,/ unter zerrissener Sonne,/ in Lichtbahnen schmelzend,/ grenzenlos die Massen/ von Stein und Wolken/ in Brand setzt./ Glaubt mir, es gibt sie,/ die Wiedergeburt/ der Elemente,/ in der wir geborgen sind./ Jetzt sind die Ufer erreichbar./ Fürchte nicht, sie zu betreten./ Die Überfahrt wird Dir leicht./ Wenn Du dort auf mich zukommst,/ will ich Dich bitten, immer,/ für immer zu bleiben.

2.

Drücke die Hände/ ins eisverschleierte Wasser/ der Rhone,/ und durch dich hindurch/ strömen Hochmut und Schönheit/ der zerstörten Reiche:/ die unheilbare/ fließende Wunde/ des Kontinents,/ den wir mit grausamen/ Legenden schmücken./ Widerstehe!/ Es zieht dich mit.

3.

Gerade noch ein Stück Leben aus/ der Ewigkeit / herausgebissen!/ Was wird von diesem Tag/ zu berichten sein:/ Er war - ist er gewesen?/ Mußte er sein?/ Soll es ihn wirklich/ gegeben haben?/ Wer würde ihn vermissen,/ wenn er nicht war?/ Genf an gerissener Ankerkette treibt hinaus/ mit den Flaggen aller Nationen,/ mit allen Konsulaten, Sachberatern,/ Kongressen, Tagungen, Debatten,/ mit allen unbezahlten Hilfsprogrammen,/ mit allen grinsenden Ministern/ und geheimen Konten .../ treibt hinaus/ ins menschenleere Universum/ wie ein bewimpeltes Urlauberschiff,/ das lautlos kippt und versinkt./ In deine vorsichtigen Augen/ spreche ich meine Hoffnung:/ Ja, ich fordere das Unerreichbare,/ ohne zu wissen,/ wieviel Kraft verbleibt,/ den nächsten Abschied/ zu überstehen./ Unter fest zusammengeschlagenem frierendem Mantel/ rette ich ein Versprechen,/ das du nicht geben willst,/ über die Grenze, um es bei mir in der Fremde/ unverwandt und rechtlos/ zur Todeswunde großzuziehen.

/ 2002

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