1. Austrofred an W. A. Mozart
Verehrter Kollege, lieber Wolfgang Amadeus Mozart,
sicher haben Sie sich ganz schön gewundert, wie Sie heute diesen Brief aus Ihrem Postkastl gefischt haben. Und zwar nicht nur, weil er ganz anders ausschaut als der Postwurf, den Sie sonst so kriegen – viel weißer als das handelsübliche Papier zu Ihrer Zeit und mit Kuli beschriftet statt mit einer Ganslfeder –, sondern auch, weil Ihnen der Absender so gar nichts sagt: Ingenieur Austrofred, denken Sie sich, wer kann denn das sein, wieso schreibt mir der? Wären Sie, sagen wir, 250 Jahre später auf die Welt gekommen, dann wäre diese Frage eine überflüssige, denn dann würden Sie mich längst aus dem Rundfunk kennen und wären jetzt ganz aus dem Häusl, weil Sie einen persönlichen Brief von einem der größten und beliebtesten österreichischen Musiker und Komponisten seit … ja, eigentlich seit Ihnen selber in der Hand halten. Wobei meine Musik freilich ein bisschen anders klingt als die Ihrige. Klar, gerade am Equipment- und Beschallungssektor sind die letzten Jahrhunderte nicht ohne Fortschritte vorübergegangen. Heute kann man eine Show circa hundert Mal so laut fahren wie zu Ihrer Zeit – da kriegt man natürlich eine ganz eine andere Dynamik zusammen.
Ich selber bin das, was man einen Rockkünstler nennt, das heißt, ich komponiere im Wesentlichen für elektrifiziertes Kammer-Ensemble: Gitarre, Bass, Drums und Keyboards. Das klingt für Sie jetzt sicher nicht besonders aufregend, und vielleicht ist das Komponieren für diese Besetzung auch einfacher wie für so ein Symphonieorchester – möglich –, aber dafür schiebt es mehr. Hin und wieder mache ich auch ein Unplugged-Stückl, also quasi eine Sonate für Jungschargitarre und Voice, das ist vielleicht mehr nach Ihrem Geschmack. Jetzt wissen Sie aber immer noch nicht, lieber Wolfgang, was dieser Austrofred, dieser eigenartige Komponist aus der fernen Zukunft eigentlich will von Ihnen. Also, der Deal wäre folgender: Ich erzähle Ihnen ein bisschen was aus unserer Zeit, vom Leben im neuen Jahrtausend – weil es wird Sie ja sicher interessieren, wie die heutige Menschheit musikalisch und weltanschaulich so drauf ist –, und im Gegenzug schreiben Sie mir etwas über Ihr Leben, Ihre Zeit und Ihre Sichtweisen. Weil ich glaube, da gibt es vieles, wo Sie für einen heutigen Musiker ein Vorbild sein können – teilweise zumindest.
Wie gerne wäre ich einmal ein Mauserl und würde mich bei Ihnen in der Musizierkammer umschauen, wie so Ihre Hits entstehen. Schreiben Sie stundenlang durch oder machen Sie immer wieder mal Pausen? Sind Ihre Notenblätter vorliniert oder ziehen Sie die Linien selber mit dem Geo-Dreieck? Haben Sie beim Komponieren Ihre Perücke auf, genauso wie man sie von den Bildern kennt, oder hängt sie im Bad? Und was trinken Sie bei der Arbeit? Ein Kaffeetscherl? Oder genehmigen Sie sich lieber ein kühles Bier? Auch das kann ich mir gut vorstellen, weil in Salzburg ist ja bekannterweise die Braukunst (Stiegl) fast so ausgeprägt wie die Komponierkunst, und das will etwas heißen. Ja, das sind so die Fragen, die mir durch den Kopf gehen, wenn ich mir eine CD von Ihnen hineinziehe – Woiferl, how did you do it? Falls Sie sich übrigens wundern, wie dieser Brief überhaupt in Ihr Postkastl gekommen ist, rein technisch – die Österreichische Post hat damit, wie Sie sich vorstellen können, nichts zum tun. Klar, die schaffen es ja teilweise nicht einmal, dass sie – wahre Geschichte! – einen Brief von Linz nach Linz-Urfahr zustellen, und da ist in Wirklichkeit nur die Donau dazwischen. Aber die Briefträger sind halt ein wasser- (und
arbeits-)scheues Volk.
In Wirklichkeit ist es so, dass ich vor ein paar Monaten den Professor Zeilinger, den Erfinder vom Beamen, kennengelernt habe – wir sind beide beim Licht ins Dunkel unter zweihundert Bundesheerlern am Telefon gesessen –, und der hat mir dann bei einem Bier (oder zehn) und einer entsprechend gelockerten Zunge angeboten, dass er mir gerne einmal ein bisschen etwas beamt, als Freundschaftsdienst. Weil offiziell heißt es zwar, dass er bislang nur einzelne Atome oder Moleküle über den Äther verschicken kann, aber inoffiziell schafft er schon kleinere Fleischstückchen und Briefe, und von dem her wollten wir das mit dem Brief jetzt auch einmal in der Praxis ausprobieren.
Fleisch ist dagegen fast schon Routine, das machen wir jedes Mal, wenn der Professor im Gastgarten vom Schweizerhaus sitzt. Der Beamvorgang ist übrigens ganz witzig zum zuschauen: Der Zeilinger hat da so einen kleinen Apparat, der schaut aus wie eine handelsübliche Schreibtischlampe, nur dass statt einer Glühbirne ein Laserstrahl hineingeschraubt ist, und mit diesem Laser zielt er einfach auf den entsprechenden Hendlhaxen (oder Brief), ein paar Sekunden nur, es fängt kurz an zum rauchen, dann löst sich die sogenannte Materie vom Haxl auf – weg ist es! – und im selben Moment baut es sich an einem anderen Ort schon wieder zusammen. Beziehungsweise sogar zu einer anderen Zeit, weil nachdem es im materielosen Raum ja bekannterweise kein Zeitgefühl gibt, jetzt ist so ein Beamgerät de facto immer gleichzeitig auch eine Zeitmaschine. Aber pssst – das geht nur Sie, mich und den Professor Zeilinger etwas an!
In kollegialer Hochachtung,
Ihr Austrofred.
PS: Ah ja, das hätte ich jetzt fast vergessen, lieber Wolfgang, nämlich bezüglich dem Prozedere: Wenn Sie mir, was ich stark hoffe, ein paar freundliche Zeilen zurückschreiben möchten, dann legen Sie Ihren Brief einfach ins target area, also auf denselben Platz, wo Sie den meinigen gefunden haben. Der Professor kümmert sich
Textprobe aus "Du kannst dir deine Zauberflöte in den Arsch schieben" / 2010