Die Berge
„Hatte mich mein Vater auf einen Gipfel geführt, so pflegte er mir, erst zu meinem Erstaunen, dann zu meinem Befremden, mit bedeutsamem Blick die Hand zu schütteln. Danach begann er, das ganze Panorama zu erklären. Ich merkte mir jedoch fast nichts.
Den Bergen Namen zu geben und auf ihnen Gipfel-Kreuze zu errichten, ist weniger wert als ein Kinderspiel. Weit länger haben sie als Ungetaufte denn als Getaufte existiert.
Für den Berg ist die Phase, da unser Betrieb ihn überläuft, nur ein kurzdauernder Hautausschlag. Wie die Krankheitserreger gekommen sind, erst einzeln, dann in Gruppen, schließlich in Massen, wird ihre Zahl wieder abnehmen, zunächst langsam, dann immer schneller, bis nur noch einzelne kommen und zuletzt niemand mehr.
Die Namen werden von den Bergen abfallen, sie werden wieder in ihre namenlose Existenz eintreten, von der Atmosphäre umflutet und langsam abgetragen, bis sich schließlich ihre Runzeln in den Umwälzungen der Erdkruste verlieren.“
aus: Amanshauser, Die Berge. IN: Donnenberg (Hg.): Gegen-Sätze, Otto Müller Verlag / 1993