Für die Kinder aus der Nachbarschaft war Sidonie, auch wenn sie mit ihrer dunklen Hautfarbe und den blau-schwarz schimmernden Haaren hervorstach, eine Spielkameradin mehr. Nur wenn sie aneinandergerieten, als Räuber und Gendarm, ich hab dich, nein hast mich nicht, hab dich schon, oder beim Spiel mit einem Fetzenball, abgeschossen, nicht berührt, taten sich die anderen leicht, ein Schimpfwort zu finden: Zigeunerin. Zigeunerkind. Bist ja eh nur eine Zigeunerin. Oder wenn die Buben sie weghaben wollten: Putz dich, Schwarze. Dann aber sorgten sie sich wieder um das Mädchen, wenn sie sahen oder hörten, daß Zigeuner in der Nähe lagerten, nahmen sie an der Hand und liefen ins Haus. Frau Breirather, schnell, Zigeuner sind da, sperren Sie zu.
Das war ganz am Anfang gewesen, bei ihrem ersten Pflegebesuch, daß die Fürsorgerin Josefa gewarnt hatte: Aufpassen! In dieser Gegend treiben sich doch oft Zigeuner herum. Man weiß ja, wie die sind. Ob die nicht einmal das Kind schnappen. Die sehen auf den ersten Blick, daß Sidonie eine von ihnen ist.
/ 1989