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Sukiyaki

Rindfleisch

Autoren: Dietmar Füssel
Verlag: Aavaa, Berlin, 2013
Gattung: Prosa | Veröffentlichungstyp: Buch

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Textproben:

"Sukiyaki!", verkündete ich, als ich den Raum betrat.
Für einen kurzen Moment verfinsterten sich die Mienen der Sumo-Ringer, doch gleich darauf lächelten sie wieder und nickten mir freundlich zu.
Nur Takeo lächelte nicht mehr, sondern sah ziemlich besorgt drein.
"Sukiyaki!", wiederholte ich, während ich den Topf auf das Tischchen stellte, und als ich den Deckel abnahm, sagte ich noch ein drittes Mal: "Sukiyaki", als könnte ich dadurch meine Gäste davon überzeugen, dass es sich bei diesem undefinierbaren Matsch tatsächlich um ihr Nationalgericht handelte.
Als die Sumo-Ringer sahen, was sich da in dem Topf befand, verfinsterten sich ihre Gesichter abermals, und diesmal dauerte es mehrere Sekunden, ehe es ihnen wieder gelang, höflich zu lächeln, und es war ihnen anzumerken, dass ihnen dieses Lächeln sehr schwer fiel.
Ich nahm einen großen Schöpflöffel, klatschte jedem eine tüchtige Portion in seine Schüssel und wünschte ihnen auf Japanisch guten Appetit.
"Den werdet ihr auch brauchen", fügte ich in Gedanken hinzu.
Zögernd nahmen die Sumo-Ringer ihre Stäbchen zur Hand. Jeder von ihnen fischte ein Fleischstück aus seiner Schüssel und schob es in den Mund.
Und dann begannen sie zu kauen.
Sie kauten und kauten und kauten, aber gegen dieses Fleisch waren selbst die schärfsten Zähne machtlos, und während sie kauten, wurden ihre Mienen böser und immer böser.
Endlich fand Nummer eins, dass er jetzt lange genug gekaut hatte.
Mit zornrotem Gesicht spuckte er den unbezwingbaren Fleischbrocken aus und sprang auf, und seine Kollegen folgten seinem Beispiel.
Was dann geschah, ereignete sich innerhalb weniger Sekunden:
Nummer eins packte den Kochtopf, schleuderte ihn quer durch das Lokal gegen die Küchentür und verwandelte sie dadurch zu Kleinholz. Seither weiß ich, dass Sumo-Ringer nicht bloß extrem fett sind, sondern tatsächlich auch extrem stark.
Nummer zwei sprang auf das Tischchen, das unter dieser Belastung natürlich zerbrach.
Und während Nummer drei sich damit begnügte, wie ein Stier zu brüllen, beschloss Nummer vier, mir seine Unzufriedenheit handgreiflich zu demonstrieren:
Er umfasste mich mit seinen riesigen Pranken, hob mich hoch über seinen Kopf, als wäre ich eine Strohpuppe, und machte Anstalten, mich durch das geschlossene Fenster hinaus auf die Straße zu befördern...

/ 2013

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