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Der Wolf von Gubbio

Autoren: Hermine Moser-Rohrer
Verlag: Edition Garamond, Wien, 2002
Gattung: Prosa | Veröffentlichungstyp: Buch

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Textproben:

Erster Tag Sylvia schlägt die Autotür zu und lehnt sich zurück. Für einen Moment schließt sie die Augen. Sie ist noch verschlafen und gleichzeitig aufgeregt und wach, voll Vorfreude auf die Reise. "Alles klar?" Benno dreht sich zu ihr um, bevor er startet. Sie nickt. "Von mir aus kann es auch losgehen", sagt Christof, der neben Benno den Beifahrersitz ausfüllt. Es ist ein regnerischer, kalter Junitag, typisch für Salzburg. Umso mehr freut sich Sylvia auf die bevorstehende Woche in Umbrien. Benno streift sich durch die schwarzen, ungemein dicken, kurz geschnittenen Haare. Er atmet laut aus, reißt am Knüppel, stößt ihn in die richtige Position und lässt den Motor aufheulen. Du gütiger Himmel, denkt Sylvia, Benno ist wirklich ein lieber Kerl, aber im Auto verhält er sich aggressiv. Sie hätte doch bei Theo und Hilde im Golf mitfahren sollen. Sie rollen gemächlich von hinten heran, und Sylvia fühlt, als sie sich umdreht und winkt, einen kurzen Stich, der zwischen Bewunderung und Neid anzusiedeln ist, denn nicht Theo selbst, sondern Hilde sitzt am Steuer und fährt! Theo lümmelt im Beifahrersitz. Die schulterlangen Haare hat er sich achtlos zusammengebunden. Sein schmales Gesicht wirkt blass. Hat er nicht gesagt, dass er die Nacht durchgemacht hat? Das ist typisch für ihn. Sylvia lächelt den beiden zu. Theo könnte als Modes bestimmt mehr Geld verdienen als als Sozialarbeiter oder Therapeut, dindet sie. Hilde und die anderen Frauen in der Gruppe denken das übrigens auch. Nur scheint er sich dessen überhaupt nicht bewusst zu sein. Er kuschelt sich in seinen dicken Norwegerpulli wie in eine Decke. Benno fährt los, und der Golf wird kleiner und bleibt als grüner Punkt hinter einer Kreuzung zurück...

/ 2002

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