Der Minimalismus der Dinge
Autoren: Mathias Klammer
Verlag: Arovell Verlag,
2011
Es sind die kleinen Dinge, um die es im Leben geht. Die ganz kleinen Dinge. Hat meine Großmutter immer gesagt. Ich habe nur genickt, wenn du meinst gesagt, ihr zugelächelt. Dann hat sie mir die Haare aus dem Gesicht gestrichen, gelacht. Doch, es sind die kleinen Dinge. Je kleiner, desto wichtiger. Dieser Satz. Heute stimmte er.
Niemand hat das Auto kaufen wollen. Das Auto, vor dem Fenster meiner Wohnung sein elendiges Dasein fristend. Die verbogenen Kotflügel. Die vereinzelten Rostspuren auf der Karosserie, an den Türen. Die kaputten Scheinwerfer. Niemand interessierte sich dafür. Niemand interessierte sich für mich.
Mein Blick fiel auf die Uhr. Es war kurz nach vier. Um diese Zeit stellte ich mir immer vor, wie es wohl wäre, jemand anders zu sein. Vielleicht jemand, den ich kenne. Vielleicht jemand, dem ich noch nie zuvor begegnet bin. Vielleicht doch nur ich selbst, etwas anders. Ich wusste es nicht, aber ich stellte es mir vor. Wie mein Leben aussehen würde, wäre ich jemand anders. Einfach nur anders. Dabei musste ich immer lächeln. Meine Phantasie ließ sich jedes Mal ein verändertes Szenario einfallen, um mich zu unterhalten. Es ist eine ganz besondere Gabe, wenn man eine große Portion an Vorstellungskraft mit sich herumträgt.
Ich stellte mir täglich vor, wie es wäre, wenn meine Eltern noch am Leben wären. Nicht tot. Nur lebendig. Ich konnte ihren Geruch innerhalb dieser nackten Wände noch immer wahrnehmen. Ich wusste nicht mehr genau, wann sie gestorben waren. Es musste schon mehrere Monate her sein, vielleicht Jahre. Ich wusste es nicht mehr, konnte mich nur schwer an diesen Moment erinnern.
Textprobe "Der Minimalismus der Dinge" / 2011